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„Beim Preis können wir uns doch in der Mitte treffen?“ Was in einer Preisverhandlung nach Fairness und Entgegenkommen klingt, ist in Wahrheit knallharter Machtpoker: Ihr Gegenüber versucht seine Preisvorstellung durchzusetzen und Ihre vom Tisch zu wischen. Akzeptieren Sie den vermeintlichen Kompromiss, dann verlieren Sie doppelt: Sie erzielen ein schlechteres Verhandlungsergebnis und lassen sich zugleich die Schneid abkaufen – denn der Einkäufer wird künftig bei jeder Preisverhandlung Rabatte von Ihnen verlangen. Lesen Sie, wie Sie auf „faule“ Kompromiss-Vorschläge reagieren und mit welchen alternativen Strategien Sie echte Verhandlungserfolge erzielen.

Der Kompromiss, der keiner ist

Jede Preisverhandlung ist ein Sachkonflikt. Zwei Parteien treten gegeneinander an und versuchen ihre Interessen durchzuboxen. Manchmal geht es bei dieser verbalen Kriegsführung Schlag auf Schlag: Beide Verhandlungspartner versuchen einander durch Druck und Drohungen außer Gefecht zu setzen. Manipulative Verhandlungsstrategien mögen auf den ersten Blick harmloser wirken. Sie verfolgen selbstverständlich das gleiche Ziel, nämlich die gegnerische Position zu schwächen.

Eine dieser manipulativen Strategien ist der faule Kompromiss. Bei einer Preisverhandlung besteht er meist darin, sich in der Mitte zu treffen, ganz ähnlich wie am Basar: Der Verkäufer verlangt 10 Euro für das Produkt, der Käufer will ihm nur 6 dafür geben und am Ende einigt man sich auf 8. Faul ist der Kompromiss deswegen, weil der Einkäufer von vornherein mit völlig überzogenen Forderungen in die Preisverhandlung einsteigt. Sich in der Mitte zu einigen bedeutet daher vielmehr, sich über den Tisch ziehen zu lassen.

Der bessere Kompromiss: Preisnachlässe an Bedingungen knüpfen

Für einen echten Kompromiss müssen sich beide Konfliktparteien aufeinander zu bewegen. Sie sollten daher Rabattforderungen niemals – und ich betone: niemals! – akzeptieren, ohne zugleich eine entsprechende Gegenleistung zu erhalten. Beispielsweise können Sie Rabatte anbieten, wenn der Kunde die doppelte Menge abnimmt oder sich bereit erklärt, den Vertrag hier und jetzt zu unterschreiben. Fordern Sie, was immer Ihnen wichtig ist, und gewähren Sie Preisnachlässe nur dann, wenn auch eine Ihrer Forderungen erfüllt wird.

Denn ich verspreche Ihnen: Andernfalls werden Sie weichgekocht. Wenn der Einkäufer mit dieser Strategie einmal Erfolg hat, wird er künftig in jeder Preisverhandlung Zugeständnisse von Ihnen verlangen. Knüpfen Sie daher Rabatte konsequent an Bedingungen, um dieser Forderungsspirale einen Riegel vorzuschieben.

Besser als jeder Kompromiss: Integration von Interessen

Kompromisse gelten als fair und partnerschaftlich. Keinesfalls führen Kompromisse automatisch zu einem fairen Ausgleich von Interessen! Ich bin fest davon überzeugt, dass es eine bessere Art der Konfliktbewältigung gibt: Sie nennt sich Integration. Unter Integration verstehen wir einen Interessensausgleich, der über den reinen Kompromiss noch hinausgeht. Auch und gerade in einer Preisverhandlung lässt sich diese Strategie hervorragend einsetzen, um zu guten Abschlüssen zu gelangen. Leider ist diese reife Form der Konfliktlösung zugleich auch sehr anspruchsvoll.

Integration als Konfliktlösungsstrategie beruht auf dem sogenannten Harvard-Prinzip. Bei dieser bekannten Verhandlungsmethode geht es im Kern darum, die menschliche von der Sachebene zu trennen und konsequent Sachthemen – anstatt persönlicher Konflikte – zu verhandeln. Die Grundfrage, die sich beide Konfliktparteien stellen sollten, lautet: Wie können wir von unseren unvereinbaren Positionen abrücken und neue Ziele entwickeln, von denen wir letztlich beide profitieren? Anstatt eisern Forderungen zu verteidigen, bemüht man sich also, gemeinschaftlich gute Lösungen zu entwickeln.

Eine Preisverhandlung mit zwei Gewinnern

Gut und schön, sagen Sie, und wie soll ich dieses Harvard-Prinzip in einer Preisverhandlung anwenden? Ich möchte Ihnen dazu eine Geschichte erzählen: Wie Sie wissen, kann der Automotive-Sektor für Zulieferer bisweilen ein hartes Pflaster sein. Mir ist der Fall eines namhaften Automobil-Hersteller bekannt, der Lieferanten mit seinen Preisforderungen unter Druck gesetzt hat bis zu einem Punkt, an dem die Verkäufer sagen mussten: Es tut uns leid, wir können Ihnen keine weiteren Angebote machen. Wir bewegen uns an unserem absoluten Preislimit, weil auch unsere Vorlieferanten entsprechende Preise haben.

Häufig gehen langjährige Geschäftsbeziehungen auf diese Weise in die Brüche. In diesem speziellen Fall haben sich die Verhandlungspartner noch einmal an den Tisch gesetzt und versucht, gemeinsam eine konstruktive Lösung zu finden. Dabei hat man sich auf Folgendes geeinigt: Unter anderem nahm der Automobil-Hersteller mit den Vorlieferanten seines Geschäftspartners Verhandlungen auf, um für ihn bessere Konditionen herauszuschlagen. Zusätzlich hat man den Lieferanten dabei unterstützt, seine Produktionsprozesse zu optimieren. So war es schließlich doch möglich, im Geschäft zu bleiben und zugleich die Gewinnmargen beider Geschäftspartner zu erhöhen.

Schlechte Zeiten für gute Preise? Nur keine Panik!

Zwar stehen viele Einkäufer heute unter großem Druck, in der Preisverhandlung gute Ergebnisse zu erzielen. Keineswegs bedeutet das, dass der Preis allein über Ihre Geschäftsbeziehung entscheidet! Zu meiner Zeit als Vertriebsdirektor bei der Firma Actebis waren wir einmal in der Situation, 80 neue Kunden gewinnen zu wollen. Bald hat sich herausgestellt, dass die Preise in diesem Sektor knallhart ausverhandelt waren. Es war uns kaum möglich, bessere Angebote zu machen, und auch unsere eigenen Kosten konnten wir nur ganz minimal senken.

Unter genau diesen Voraussetzungen ist es uns gelungen, innerhalb von 3 Jahren 80 Neukunden mit einem Einkaufsvolumen von damals 700 Millionen Mark zu gewinnen. Womit haben wir unsere Kunden überzeugt? Offensichtlich kaum durch unsere Preise. Ausschlaggebend war vielmehr das Engagement unserer Verkäufer. Die Persönlichkeit unserer Verkäufer war der Grund dafür, dass sich unsere Kunden entschieden haben, mit uns zusammenzuarbeiten.

Wenn Sie es also schaffen, Ihre Kunden mit Ihren Leistungen und Ihrem Engagement nachhaltig zu begeistern, so werden diese auch bereit sein, einen etwas höheren Preis zu zahlen als bei der Konkurrenz. Und umgekehrt: Wer nur wegen dem Preis kommt, der geht auch wieder wegen dem Preis. Wollen Sie langfristige Geschäftsbeziehungen eingehen, dann muss es Ihr Ziel sein, echte Mehrwerte für Ihre Kunden zu generieren – gute Preise allein sind zu wenig.

Kompromiss-Kultur überwinden

Fazit: Wer am Verhandlungsparkett guten Konfliktstil an den Tag legt, hat für den erfolgreichen Abschluss einer Preisverhandlung wesentlich bessere Karten. Ich rate dazu, die weit verbreitete Kompromiss-Kultur zu überdenken: Häufig verbirgt sich hinter dem vermeintlich großzügigen Kompromiss ein ziemlich unfaires Angebot. Wehren Sie den Manipulationsversuch ab, indem Sie Rabatte konsequent an Gegenleistungen knüpfen! Es gibt eine Alternative zu Kompromissen: Die hohe Kunst der Preisverhandlung nennt sich Integration und besteht darin, echte Interessensausgleiche zu erzielen. Auf dieser Basis können sich langjährige, belastbare Geschäftsbeziehungen entwickeln, die selbst Dumping-Preise der Konkurrenz unbeschadet überdauern.

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